Am 08.02.2022 hat Berlin Global Village zur digitale Gesprächsrunde „Mach Raum! – Inklusive Raumkonzepte rund um globale Gerechtigkeit“ eingeladen. Anlass war der im Sommer 2022 bevorstehende Abschluss der Sanierungsarbeiten im Altbau und damit die Fertigstellung der Baumaßnahmen des Zentrums. Damit beginnt für Berlin Global Village (BGV) als Zentrum und Organisation eine neue Phase: Der Bau war lange die vordergründige Aufgabe, ist aber auch nur Mittel zum Zweck, einen Raum für migrantisch-diasporische und entwicklungspolitische Initiativen zu schaffen, an dem diese (gemeinsam) arbeiten können. Haben wir nun aber diesen Raum geschaffen, weil wir ein Fundament gegraben, Wände hochgezogen, Leitungen verlegt haben und ca. 50 entwicklungspolitische und migrantisch-diasporische Organisationen eingezogen sind? Was bedeutet es, Raum zu schaffen, der mehr ist als ein Ort?
Bei der Veranstaltung trafen die Geschäftsführerin des In-Haus e.V. in Köln, Elizaveta Khan, Dr. Friederike Landau-Donnelly, Assistant Professor for Cultural Geography an der Radboud Universität, und Michael Küppers-Adebisi, Referent für Diversity und Community Building bei Berlin Global Village, um sich gemeinsam mit den Teilnehmer*innen über dieses Thema auszutauschen. Michaela Kern, Referentin für Kommunikation bei BGV, moderierte.
Elizaveta Khan stellte das „In-Haus“ vor. Dieses umfasst drei angemietete Häuser in Köln-Kalk. Dort werden ähnlich wie bei BGV Räume für Gruppen und Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Anders als bei BGV gibt es auch Angebote der Sozialarbeit. Khan berichtete von dem Anspruch des In-Hauses, die Teilhabe von möglichst Vielen an möglichst Vielem zu ermöglichen, beispielsweise durch Unterstützung bei Projekten und Teilen der Infrastruktur für Antragstellung sowie dem Angebot von Sprachkursen.
Auch betonte sie die Wichtigkeit des gegenseitigen Vertrauens von Nutzer*innen und Angestellten, die Reduktion von Leistungsdruck innerhalb der Räumlichkeiten und ein rassismuskritisches Bewusstsein. So bietet der Verein in seinem Haus Kinderbetreuung und Beratung in verschiedensten Lebenssituation an, führt Workshops und bildungspolitische Angebote durch und leistet durch das Projekt „InHaus-Medien“ rassismuskritische Öffentlichkeitsarbeit.
Gemeinsam haben BGV und das In-Haus ihre antirassistische und dekoloniale Ausrichtung sowie den Zentrumscharakter. Der Beitrag von Elizaveta Khan war auch aufgrund des langjährigen Bestehens des In-Hauses als Interkulturelles Zentrum interessant: Seit nunmehr 10 Jahren existiert das In-Haus – so konnte sie viele Beispiele aus der konkreten Praxis geben.
Friederike Landau-Donnelly, die unter anderem zu Konflikten in öffentlichen Räumen forscht, hob in ihrem Input einen produktiven Umgang mit Konflikten innerhalb der Räume hervor: Räume sind in diesem Kontext das Produkt der Aushandlung ebendieser. Sie grenzen sich daher von Orten ab, die als rein physische Kategorie gefasst werden. Mithilfe der richtigen Prozesse und Ressourcen, könnten Räume warm und willkommen heißend sein.
Michael Küppers-Adebisi sprach für BGV die besondere Relevanz einer dekolonialen und antirassistischen Ausrichtung im Feld der Entwicklungshilfe an. In diesem Kontext wird bei BGV durch interne Maßnahmen aktiv versucht, durch rassistische Strukturen entstandene Asymmetrien auszugleichen. Hierbei verwies er auf den Raum der migrantisch-diasporischen Organisationen („MDO-Raum“) im 4. OG des Zentrums, der solidarisch von allen Mieter*innen mitgetragen wird und den Rat für Diversity und soziale Inklusion (RDSI).
Küppers-Adebisi nannte weitere Beispiele der physischen Gestaltung von Räumlichkeiten im Neubau: So wurden die Teeküchen, die auf jeder Etage zu finden sind, von vorneherein als Raum der Begegnung geplant, indem man in diese direkt aus dem Aufzug gelangt. Mit den Flächen im Erdgeschoss entsteht auch ein Angebot an den Kiez, z.B. durch die Ludothek oder weitere externe Akteure durch die Veranstaltungsräume.
Doch wie misst sich, ob die Aushandlung der Räume erfolgreich ist? Wie stellt man fest, ob Strategien zur Inklusion und Offenheit funktionieren? Und wie schafft man dies trotz endlicher Ressourcen finanzieller und personeller Natur?
Auch bei dem Versuch, diesen Fragen auf den Grund zu gehen, zeigten sich auf interessante Art die diversen Ansätze der Gesprächsteilnehmenden: Elizaveta Khan berichtete, dass vor dem Hintergrund der sozialen Arbeit eine Strategie dann als erfolgreich gelten kann, wenn die Nutzer*innen der Räumlichkeiten mehrmals wiederkommen. Auch die Bearbeitung dieser Fragen als Konfliktstellung im Sinne einer agonistischen Konfliktbearbeitung kann darauf hinweisen. Agonismus, erklärte Landau-Donelly steht im Gegensatz zu Antagonismus, bei dem der Konfliktpartner versucht wird zu „besiegen“ und meint eine potentiell positive Austragung von legitimen und notwendigen Konflikten, die die Grundregeln von Freiheit und Gleichheit respektieren.
Das Gespräch führte immer wieder zu den Menschen zurück, die die Räume nutzen, aushandeln und damit gestalten. Mit dem Ansatz, dass Räume nur durch Aushandlung entstehen und Konflikt dabei unter bestimmten Voraussetzungen notwendig und sogar produktiv ist, spricht eine verantwortungsvolle Gemeinschaft für einen „guten“ Raum. Dies zu organisieren und Menschen und Organisationen aus dem Haus einzubinden, sieht Berlin Global Village als Betreiberin des Zentrums nicht nur wegen der begrenzten Ressourcen als ihre Aufgabe an. Sondern auch, weil diese das Besondere am Zentrum ist, denn „der Kuchen bleibt immer gleich groß, aber vielleicht bringt noch jemand anderes was zu Essen mit“ – so Landau-Donelly.